Curriculum vitae   ♦   Blog   ♦   Publik   ♦   Projects
Daten-GAU bei WikiLeaks?

WikiLeaks

In den letzten Wochen - genauer gesagt seit der Veröffentlichung der unredigierten Diplomaten-Depeschen - ist WikiLeaks mal wieder zur Zielscheibe für die Transparenz-Kritiker geworden, die es schon immer gewusst haben: "WikiLeaks hat Blut an den Händen!".

Dies ist im übrigen das gleiche "Argument", mit dem WikiLeaks-Kritiker auch schon die Veröffentlichung der Afghan War Logs und der Iraq War Logs kommentiert haben - und am Ende kleinlaut eingestehen mussten, dass wohl doch niemand durch die Veröffentlichung zu Schaden kam.

Die Aufregung um den angeblichen "Daten-GAU bei WikiLeaks" wird aus meiner Sicht durch Medien mit verstecktem Eigeninteresse befördert und steht in keiner Relation zu den tatsächlichen Fakten und Vorgängen:

  • WikiLeaks ist mit dem Vorsatz angetreten, Whistleblower den Schutz der Anonymität zu gewährleisten. Dieses Prinzip ist durch die Veröffentlichung der unredigierten Cables auch in keinster Weise verletzt worden; dass die unredigierten Depeschen die Namen von US-Informaten enthalten, ist nicht Sache von WikiLeaks.

  • Wenn jemand für den Schutz und die Anonymität der in den Cables erwähnten Personen zuständig ist, dann doch wohl das State Department der US-Regierung und nicht WikiLeaks. Warum wurden in der gespeicherten Form die Klartextnamen beibehalten? Welche Relevanz sollte das haben?

  • Es gehörte zu den ursprünglichen Prinzipien von WikiLeaks, geleakte Dokumente immer unredigiert zu veröffentlichen, um das Vertrauen der Whistleblower zu erhalten. Denn was soll ein Whistleblower mit einer Plattform, von der er nicht sicher sein kann, ob und in welcher Form das geleakte Dokument letztendlich veröffentlicht wird. Mit dem Release der unredigierten Cables kehrt WikiLeaks zu diesem Prinzip zurück.

  • Die Cables waren fast 10 Jahre lang im SPIRnet von über 2.5 Millionen Amerikanern unredigiert einsehbar. Unter dieser grossen Anzahl von Menschen gibt es schon statistisch gesehen genügend Menschen mit Drogen- oder Geld-Problemen, die erpressbar sind. Es ist doch naiv anzunehmen, dass Geheimdienste repressiver Staaten WikiLeaks brauchen, um an dieses Cables zu kommen und darin zitierte Informanten zu verfolgen.

  • WikiLeaks hat die Klartext-Depeschen nicht als Erste veröffentlicht; diese waren schon vorher auf der CRYPTOME-Webseite abrufbar. WikiLeaks musste damit ebenfalls veröffentlichen, um die Integrität der kursierenden Depeschen sicherzustellen. Dass CRYPTOME (und eine ganzer Reiher anderer pfiffiger Leute, die das auf dem Web und in der Presse mitverfolgt haben auch) die Klartext-Depeschen hatte, liegt an drei Gründen:

    1. ein Guardian-Journalist hatte das Passwort in seinem WikiLeaks-Buch veröffentlicht

    2. WikiLeaks hatte die verschlüsselte Datei länger als notwendig auf dem Server belassen, der dann tausendfach gemirrored wurde

    3. Ein Dritter kannte die URL dieser zugehörigen verschlüsselten Datei und das Passwort aus dem Buch und hat diese Informationen an die Presse weitergegeben

WikiLeaks hat in diesem Zusammenhang sicherlich ein bischen geschlampt und geschludert, aber das war nicht ursächlich für die Veröffentlichung der Klartext-Depeschen. Es gibt also keinen wirklichen Grund, beim allgemeine WikiLeaks-Bashing mitzumachen.

Zurück